Vordere Kreuzbandruptur: Verletzungsmuster, Behandlung und postoperative Behandlung

Der Riss des vorderen Kreuzbandes ist eine schwere Verletzung und die häufigste Bandruptur des menschlichen Körpers. Das vordere Kreuzband ist in 10–30 Prozent aller Knietraumata betroffen, und zeigt eine Inzidenz von 3,2 Prozent bei Männern bzw. 3,5 Prozent bei Frauen.

13.11.2023

Dies ist eine Zusammenfassung des Gastbeitrags von Dr. med. Gerolf Bergenthal, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie. Den ausführlichen Beitrag finden Sie hier.

Wie entsteht ein Riss des vorderen Kreuzbandes

Ein Riss des vorderen Kreuzbandes (VKB) tritt oft bei Sportunfällen auf, wenn das Knie plötzlichen und heftigen Bewegungen ausgesetzt ist. Das vordere Kreuzband ist gemeinsam mit dem hinteren Kreuzband ein zentraler Stabilisator des Kniegelenks und reguliert dessen Bewegungen. Die häufigsten Ursachen für VKB-Rupturen sind Flexions-Rotationstraumen, Valgus-Rotationstraumen und Hyperextensionstraumen. Diese Verletzungen treten vor allem in sportlichen Situationen auf, die plötzliche und intensive Bewegungen involvieren. Hier kommt es zu einer vermehrten exzessiven Spannung des vorderen Kreuzbandes ggf. in Kombination mit einer pivotartigen Bewegung. Dabei wird das Kreuzband überdehnt und kann an- oder sogar abreissen.

Verletzungsfolgen

Rupturen des VKBs führen immer zu einem Stabilitätsverlust und zu hierdurch bedingten kinematischen Veränderungen des femorotibialen Roll-Gleit-Mechanismus des Kniegelenkes. Neben den unmittelbaren Folgen des Stabilitätsverlusts führen die Veränderungen im zeitlichen Verlauf zu Meniskus- und Knorpelschäden, wodurch eine progressive Verschlechterung der Kniegelenkfunktion und der sportlichen Leistungsfähigkeit bedingt wird. Häufig kann es im Rahmen vorderer Kreuzbandrupturen zu Begleitverletzungen der Menisken, der Seitenbänder sowie des Knorpels kommen (chondrale bzw. osteochondrale Läsionen).

Therapie

Obwohl es keine klaren evidenzbasierten Empfehlungen für die Behandlung von vorderen Kreuzbandrupturen gibt, haben Studien gezeigt, dass die operative Therapie Vorteile bietet. Nach einem vorderen Kreuzbandersatz treten seltener sekundäre Meniskusverletzungen auf, die subjektive und objektive Stabilität verbessert sich, und die sportliche Aktivität steigt. Daher ist der vordere Kreuzbandersatz die bevorzugte Behandlungsoption für Sportler. Die Wiederherstellung der Sportfähigkeit hängt von einer erfolgreichen Operation und der anschliessenden Rehabilitation ab, die individuell angepasst werden sollte.

Die Rolle von Knieorthesen bei der Nachbehandlung

Die Verwendung von Knieorthesen in der postoperativen Behandlung von vorderen Kreuzbandrupturen ist umstritten und die Studienlage ist indifferent. Die Anwendung mit einer Knieorthese hat das Ziel, das operative Ergebnis (auch über einen Zeitraum von vier Monaten hinaus) zu schützen, die Sensomotorik zu fördern und den Muskelaufbau zu unterstützen. Während wenige Studien positive Effekte bei Patienten mit Orthesen-Behandlung nach vorderer Kreuzbandplastik beschrieben haben, berichtet die Mehrzahl der Autoren, dass sie keinen Einfluss auf das klinische Ergebnis sieht. Dabei spielt auch die Qualität des operativen Ergebnisses und die korrekte Positionierung der Implantate eine wichtige Rolle.

Orthesen-Effekte: Stabilisierung, Bewegungslimitierung und Schutzfunktion

Für den Operateur hat die Anwendung einer Kniegelenksorthese postoperativ verschiedene positive Effekte:

1. Stabilisierung und Bewegungslimitierung
Hartrahmenorthesen haben einen stabilisierenden Effekt und können das Bewegungsausmass des Gelenkes limitieren. Somit ist gewährleistet, dass die zur Nachbehandlung empfohlenen Bewegungseinschränkungen in den ersten sechs Wochen eingehalten werden und schrittweise gesteigert werden können. Die Bewegungslimitierungen können auch individuell an die mitbehandelten Begleitverletzungen, wie z. B. Meniskusnaht, Innenbandriss etc. angepasst werden. Voraussetzung ist dabei jedoch die korrekte Anlage und Trageweise der Orthese.

2. Schutzfunktion
Relevant für die Nutzenbewertung einer Orthese ist auch die Schutzfunktion. Eine Orthese bietet Schutz gegen ungünstige Bewegungen im Alltag, die das OP-Ergebnis gefährden könnten. Zu vermeiden ist vor allem ein Valgus-Stress beim Aussteigen aus dem Auto, Treppensteigen oder Laufen auf unebenem Untergrund. Sie kann mit einem Sicherheitsgurt im Auto verglichen werden – sie wird getragen, um mögliche Schäden zu verhindern. Viele Patientinnen und Patienten berichten von einem gesteigerten Sicherheitsgefühl, wenn sie eine Orthese tragen. Therapeuten sehen in der Verwendung zusätzlich eine Mahnfunktion.

OPED-Knieorthesen

Take-Home Message

Die operative Versorgung der vorderen Kreuzbandruptur ist dem jungen aktiven Sportler zu empfehlen. Das Auftreten von sekundären Schäden im Kniegelenk kann dadurch verringert werden. Das Wiedererlangen des gleichen Aktivitätsniveaus wie vor der Verletzung hängt ab von der erfolgreichen Operation, der optimalen Nachbehandlung und Rehabilitation. Der Einsatz von Kniegelenksorthesen zur Stabilisierung in der frühen postoperativen Phase hat einen subjektiven und objektiven Nutzen sowohl für Therapeuten als auch für Patienten. Auch wenn die Literatur weiter uneinheitlich zu bewerten ist, so favorisiert der Autor das Tragen einer Orthese in den ersten sechs Wochen nach einer VKB-Ersatzplastik.

Hinweis: Erstveröffentlichung des Originalbeitrages in „Orthopädie aktuell 12/2017“, herausgegeben von eurocom e. V., www.eurocom-info.de